In unseren Schulen und Bildungsinstitutionen ist Sexualpädagogik längst ein geläufiger Begriff, den man unter Insidern nicht näher erklären muss und der als Errungenschaft einer zeitgemäßen Bildungsinitiative gefeiert wird. Sexualpädagogik ist heutzutage wichtig – angesichts der neuen Medien und des Smartphones vielleicht sogar wichtiger denn je – und soll ganzheitlich, altersgerecht, kompetenzorientiert und gruppendynamisch – beispielsweise in Form des projektorientierten oder offenen Lernens – unterrichtet werden. In der vierten Volksschule besitzen bereits 75% der Kids ein Handy, im Alter von spätestens zwölf haben die Teens meistens ihren ersten (Hardcore) Porno gesehen. Der Erstkontakt mit pornografischen und gewaltsamen Inhalten passiere laut Familienausschuss im Alter von nur 8 oder 9 Jahren.
Für viele Eltern, die sich für die Aufklärung ihrer Kinder keine Zeit nehmen können oder wollen, weil sie schlichtweg mit diesem Thema überfordert sind, kommt die Sexualpädagogik (vermutlich) gelegen: Ihre Kinder werden an den Schulen „modern“ aufgeklärt. Integriert man die Multidimensionalität des Themas „Sexualität“ in die Sexualerziehung durch Einbeziehung von:
- Gefühls- und Verstandswelt
- Körperlichen und psychischen Entwicklungen
- Kognitiven Aspekten wie die Bedeutung von Entscheidungen
- Sozialen Aspekten wie das Gestalten von Freundschaften und Beziehungen
- Soziokulturelle Aspekte des Umfelds,
so ist Sexualpädagogik ja eine gute Sache. Sensibel und auf die jeweilige Entwicklung abgestimmt, bereichert sie unsere Kinder und Teens in ihren Handlungs- und Sprachkompetenzen. Sie trägt damit auch dazu bei, dass sie zu verantwortungsvollem Handeln – gegenüber sich selbst und anderen – angeregt sowie einen positiven und erfüllten Zugang zur eigenen Sexualität entwickeln werden.
Es scheinen also eindeutig die positiven Seiten der Sexualpädagogik zu überwiegen. Unsere Kinder und Teens brauchen pädagogischen Input in diesem Bereich, sonst überlassen wir sie unkontrolliert den Medien und Handys und laufen dabei Gefahr, dass sie Dinge sehen und erleben, die wir nicht möchten, die nicht altersgerecht sind und/oder die sie unter Umständen sogar in die Pornographie treiben.
Aber was ist Sexualpädagogik genau? Was kann man sich darunter vostellen? Und warum läuft es in vielen Fällen anders als erwartet?
Der Hauptvertreter der Sexualpädagogik im deutschsprachigen Raum, Prof. Dr. Uwe Sielert, „lüftet das Geheimnis“ und meint dazu, dass Sexualpädagogik keine auf Biologie reduzierte Sexualkunde sei. Sexualerziehung – die angewandte Form der Sexualpädagogik – ist im Gender Glossar definiert als die „kontinuierliche, intendierte Einflussnahme auf die Entwicklung sexueller Motivationen, Ausdrucks- und Verhaltensformen sowie auf Einstellungs- und Sinnaspekte der Sexualität von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen.“
Die WHO spricht in diesem Zusammenhang von „sexual health“, also sexueller Gesundheit. Sie soll zusammen mit den sexuellen Rechten und der weltweiten Sexualerziehung gefördert werden. Eine ganzheitliche Sexualaufklärung soll nach den WHO Standards des Regionalbüros für Europa von 2011 Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit geben, ein den Altersstufen entsprechendes Wissen anzueignen und gewisse Haltungen zu entwickeln, die sexuelle Entwicklung ermöglichen. Politische Entscheidungsträger sollen von der Wichtigkeit der ganzheitlichen Sexualaufklärung oder der Erweiterung bestehender Ansätze überzeugt werden, so die WHO Standards in ihrer Zielsetzung. Die definierten Standards sollen damit Eingang in die Lernziele und Curricula finden. So geschehen auch in Österreich: Unser aktueller Sexualpädagodugik-Erlass vom Jahre 2015 bezieht sich und verweist klar auf das Rahmenkonzept der WHO.
Es geht hier also um mehr als einen „reinen“ Aufklärungsunterricht, wie wir ihn seinerzeit im Biologieunterricht gehabt haben. Sexualaufklärung nach WHO Standards – unsere maßgebliche sexualpädagogische Referenz in Österreich – soll mit der Geburt beginnen, da Eltern bereits ihren Babys Botschaften in Bezug auf den menschlichen Körper und Intimität vermitteln. Sie leisten damit schon Sexualaufklärung, so die WHO. Die Sexualaufklärung der WHO soll altersgerecht nicht bloß auf die Vermittlung von Fortpflanzung und der Prävention von sexuellen Krankheiten reduziert werden. Kinder und Jugendliche sollen sexuelle Kompetenzen und Fähigkeiten in möglichst allen Fächern interdisziplinär vermittelt bekommen und gleichzeitig Raum und Lernmöglichkeiten erhalten, ihre eigenen Erfahrungen in einer „sicheren und anregenden Umgebung“ sammeln zu können. Dafür wurde eine eigene Matrix – die sogenannte Matrix Sexualaufklärung– für sämtliche Altersgruppen (0 bis 15 Jahren) mit allen relevanten Informationen und Kompetenzen erarbeitet. Klingt in Summe nachvollziehbar und durchdacht. Aber was bedeutet dies praktisch?
Die WHO Standards ganz praktisch: „Sie haben mir meine Kindheit gestohlen“
In der Praxis bedeuten die WHO Standards und damit unser Sexualpädagogik-Erlass, dass Kinder und Jugendliche:
- … wertfrei und ohne Bezugsrahmen mit allen Facetten und Aspekten der Sexualität „aufgeklärt“ werden sollen
- … durch „sexualpädagogische“ Gewaltprävention vor Missbrauch geschützt werden sollen. Dies ist ein klar ausgesprochenes Ziel, jedoch nirgendswo näher definiert. Alles, was dem Kind oder Jugendlichen „taugt“ und auf beiderseitigem Einverständnis beruht, ist quasi erlaubt.
- … meistens von externen Vereinen oder sexualpädagogischen Institutionen in die Welt der Sexualpädagogik eingeführt werden. Welche Trainer/innen oder Pädagog/innen mit welcher Agenda und Qualifikation an die Schulen kommen, ist nicht genau geregelt.
- … in gruppendynamischen Settings, Gesprächen und/oder Projekten über ihre intimen sexuellen Präferenzen und Praktiken sprechen sollen. Alles im Rahmen der Vermittlung und Entwicklung von Kompetenzen und Fähigkeiten zur sexuellen Gesundheit.
- … sämtliche Unterrichtsmittel, die dem Zweck eines anschaulichen Sexualunterrichts dienlich sind, erlaubt sind – also auch Dildos, Kondome, Plastik-oder Stoff-Vaginas und einschlägiges Bildmaterial. Selbstverständlich altersentsprechend ab dem Kindergartenalter.
- … nach dem WHO-Referenzmodell und damit unserem Erlass auch angehalten werden sollen, eigene Erfahrungen in einer „sicheren und anregenden Umgebung“ sammeln zu können.
Diese Form der Sexualpädagogik hat leider auch meine Familie betroffen, vor allem aber betroffen gemacht: Mein Sohn hatte im Alter von 10 Jahren einen Sexualpädagogik-Workshop an einer Wiener Schule. Angekündigt wurde dieser Workshop als „Präventions-Workshop gegen sexuellen Missbrauch“. Der externe Verein „Achtung Liebe“ sollte diesen Workshop abhalten. Am nächsten Tag hielten zwei junge Trainer – eine Frau und ein Mann – einen vierstündigen Sexualaufklärungsworkshop in der Klasse meines Sohnes. Den Kindern wurde ein „Sex-Workshop“ mit sämtlichen „Gustostückerln“ geboten: Sie durften einen Dildo mit einem Kondom überziehen, erfuhren, wie man einen Porno dreht, wie Oralverkehr praktiziert wird und wurden in die Welt der kreativen Sexpraktiken eingeführt – alles anschaulich in Bild und Wort erklärt. Auf die Frage hin, wie es ihm denn dabei gegangen ist, meinte mein Sohn wörtlich, dass es „grindig war und dass er sich sehr geschämt“ hätte. Das erhaltene Kondom warf er in den nächsten Mülleimer, wie die meisten seiner Klassenkameraden auch. Als die Eltern der anderen Kinder davon erfuhren, waren sie sprachlos. Die Schule bedauerte diesen Vorfall und versicherte auf unser Mail hin, dass sie diesen Verein nicht mehr in die Schule einladen würde. Für unseren Sohn war es dennoch ein Mal zu viel …
Seinen Abschluss-Satz zu diesem sexualpädagogischen Workshop werde ich wohl nie vergessen: „Mama, sie haben mir meine Kindheit gestohlen“.
Mag. Suha Dejmek
Initiatorin der Bürgerinitiative
Vorstandsmitglied der Plattform Christdemokratie